13.4.
Weiss – Die Benennung Unreiner Assoziationen
13.04.2023, 18:00 - 19:00
Dr. Sandra King-Savic, Migrationsforscherin an der Universität St. Gallen, spricht über Weiss, die Farbe der Unschuld, die Farbe der Reinheit und die Farbe, die im 17. Jahrhundert die Welt für immer verändern würde.
Die Braut und der Bräutigam, unschuldig und glücklich, sind in jungfräuliches Weiss gehüllt. Auf Hochglanzbildern lachen uns aus Modemagazinen fröhliche Kinder und Hochzeitsgäste in heller Kleidung entgegen. Das sind Bilder, die unser kollektives Gedächtnis der traditionellen «Vermählung» prägen. Doch die Vermählung von Reinheit und Jungfräulichkeit in der Form der weissen Heirat etablierte sich erst ab dem 19. Jahrhundert als Tradition, zuerst unter den viktorianischen Adligen, ab 1920 dann in Teilen der Gesellschaft, die es sich leisten konnten, eine weisse, «reine» Hochzeit zu feiern.
Im 19. Jahrhundert, zu der Zeit, in der sich unter viktorianischen Adligen die Tradition des Heiratens in Weiss etabliert, bildet sich Widerstand versklavter Menschen in Nord Amerika. Nat Turner initiiert 1831 einen jahrhundertelangen Kampf gegen die Zwangsmigration, Versklavung und schliesslich gegen den systemischen, institutionellen und strukturellen Rassismus.
Weiss waren die Kolonialherren und Händler des Atlantischen Dreieckhandels, die ab 1619 die jeweils verarbeiteten Textilien – auch Textilien aus St. Gallen – nach West Afrika schifften, und von dort versklavte Menschen nach Amerika zwangsmigrierten, um sie vor Ort gegen Rohwaren einzutauschen. Die Ambivalenz des Begriffs «Weiss» – ein soziales Konstrukt – durchdringt die politische und soziale Machtkonstellation in den Amerikas sowie Europa bis heute.